Tagebuch zum Projekt “RSE”
23.10.2017
Langzeitimpressionen:
Ich habe das Projekt nun 2 Monate in den den Alltag einfließen lassen und bin recht zufrieden. In der Gewissheit, dass dies nicht so bleiben wird, denn wir haben Herbst und somit Erntezeit. Ich schwelge in Kürbis, Kartoffeln, roten Beten, der fast tägliche “Coleslaw” (so nennen Foodblogger das, ich nannte es bisher immer schlicht und einfach “Krautsalat”) in zig Varianten begeistert mich immer noch (Weißkraut hat übrigens mehr Vitamin C als Südfrüchte: war mir bisher auch unbekannt) und nachdem ich backtechnisch die Zwetschgenzeit voll ausgekostet habe, bin ich nun glücklich, dass der von mir favorisierte Boskoop auch endlich erhältlich ist. Zwetschgen deutscher Herkunft haben allerdings nicht die gesamte Erntezeit abgedeckt: ich habe mich sehr beherrschen müssen, um nicht schon bei den ersten Verkäufen aus Bosnien zuzuschlagen. Und generell ist die Zwetschgenzeit ja ohnehin 10 Monate zu kurz :-)
Vom Speisezettel geflogen sind auch wieder ein paar Sachen: leicht gefallen ist es mir bei der Süßkartoffel, die hier nach wie vor nur aus amerikanischer Herkunft zu bekommen ist. So ein großer Fan davon bin ich nicht, dass ich nicht darauf verzichten könnte. Schwer gefallen ist es mir bei einem Gemüse, was ich unbedingt nach Deutschland verortet hätte und was mit Sicherheit auch hier angebaut wird, da es -in anderen Sorten sicherlich- ja auch eine Futterpflanze fürs Vieh ist. Der vielgeliebte Steckrübeneintopf wird heuer ausfallen: die bei Rewe angebotenen Steckrüben kommen aus Großbritannien. Hätte ich nie für möglich gehalten: wir IMPORTIEREN das simpelste Wurzelgemüse, was auf heimischen Feldern wie Unkraut wachsen sollte-noch dazu wo vor Berlins Toren die weiten Anbauflächen Brandenburgs liegen.
Ich habe viele kleine Sachen, die man als Fertigprodukt kaufen kann, selber gemacht. Das geht sogar bei Mayonaise, die ich selten und nur in kleinen Mengen benötige. Funktioniert auch ohne Eigelb, wenn man die derzeit in der Kritik stehenden Eier einschränken möchte. Ich habe kein chemisch gepimptes “Mohnback” für den Kuchen gekauft, sondern die Mohnfüllung selber hergestellt. Und und und… und ja: das alles beansprucht unverhältnismäßig viel Zeit. Aber es macht Spaß und befriedigt.
Nach wie vor erschließt sich mir Vieles in der Preisgestaltung nicht. Wenn zur Haupterntezeit Cherry Romatomaten aus Brandenburg 250 Gramm 1,99 Euro kosten und selbige Sorte aus Marokko nur 0,99 Euro dann gibt es kein Argument, was mich als Verbraucher überzeugt. Wenn beide Sorten abgepackt dann auch noch gemischt in einem Karton in der Auslage liegen (die sind also so angeliefert worden), die kleinen Plastikverpackungen identisch sind und nur die Etiketten auf selbigen unterschiedlich sind, dann bin ich mir sicher, dass ich als Verbraucher nur glauben kann und nichts wirklich WEISS. Ich bin kein gläubiger Mensch. Ich vermute schlichtweg, die Tomaten sind Großcontainer-Schüttware aus Marokko, die hier eingetütet und etikettiert wird. Wieviel dann davon aus Marokko oder aus heimischem Anbau (falls überhaupt!) sind, wird wohl Keiner mehr so genau sagen können. Und dieses Nichtwissen ist mir letztendlich keinen zusätzlichen Euro wert. Ich habe mich auf Tomatensorten beschränkt, die NUR aus heimischem Anbau kamen. Und selbst da weiß ich nur, dass ich nichts weiß.
Nicht vom Speisezettel gestrichen habe ich Schafskäse, den brauche ich. Der einheimische Kuhmilchersatz ist mir nix, Schafskäse generell aber eben nur griechisch oder bulgarisch zu bekommen. Neu aufgenommen in den Speiseplan habe ich auch etwas, was da streng genommen bei diesem Projekt nicht hingehört, worauf ich aber nicht mehr verzichten möchte und was ich bei all den Einschränkungen, die ich mir auferlegt habe, als Luxus, den ich mir GÖNNE, betrachte: ich bin ein Buchweizen-Süchti geworden. Das Hauptanbaugebiet liegt mittlerweile in Südamerika, immerhin habe ich in welchen gefunden, der auf Zypern angebaut wird, dann nach Polen kommt und ich kann ihn dann in einem speziellen Laden für russische und polnische Produkte hier in Deutschland für nur 1,99 pro kg kaufen, den ich auch nur für dieses eine Produkt aufsuche. Wer einmal mit Buchweizen experimentiert hat, wird mich verstehen.
Alles in Allem komme ich recht gut klar, aber täglich tun sich neue Fragen auf. Man wird nicht allen wirklich nachgehen können. Momentan treibt mich die Berliner Wildschweinplage um. Dazu schreibe ich aber einen Extra-Eintrag. Das ist so ein Thema, was mich wütend macht und bei dem ich mir von der Lokalpolitik extrem vera…lbert vorkomme.
25.08.2017
Einkaufsimpressionen Milchprodukte:
Das letztmalige “Hurra” war etwas laut, die Milchprodukte (und nicht nur die!) haben mich weiterhin auf Trab gehalten und ich habe so einige Fragen, die ich irgendwo klären möchte. Momentan befinde ich mich in einer Art “brainstorm” Phase, einerseits fange ich an, mich an diese Art der Ernährung zu gewöhnen und fühle mich wohl damit, andererseits eröffnen sich fast täglich neue Baustellen.
Mark Brandenburg führt doch nicht das gesamte von mir benötigte Sortiment: es fehlt der Joghurt. Rewes “Ja!” Sortiment offerierte mir nur 0,1 oder 10% igen Joghurt, ich nehme aber den stinknormalen 3,5 % igen. War dann nur als bulgarischer oder nicht näher herkunftsbezeichneter zu bekommen, letztendlich wurde ich aber bei Lidl fündig.
Mich treiben primär folgende Fragen um: wem nützt es, wenn ich regional bei Mark Brandenburg kaufe, deren Produkte in der Regel zwischen 30 -40 Cent teurer sind als die Hausmarke von Rewe aus Köln? Ist das nicht nur Gewissensberuhigung? Buttermilch z.B. ist ein ABFALLPRODUKT bei der Butterherstellung, dafür braucht es kein spezielles Equipment.Woher kommen die Preisunterschiede, zumal der Transport von Köln nach Berlin um Einiges mehr kosten dürfte als der von Elsterwerda nach Berlin. Ist die Eigenproduktion von Rewe wirklich um so Vieles kostengünstiger? Man müsste viel mehr Handels-Interna kennen als Verbraucher. Fast das Doppelte für eine Buttermilch, nur damit ich sagen kann: regional? Irgendwas sperrt sich da in mir. Ich werde das Thema ganz sicher vertiefen.
Ansonsten bin ich mir mittlerweile sicher, dass dieses Land seine Einwohner nicht mehr autark und regional ernähren kann. Ich komme zur Zeit ganz gut über die Runden, aber momentan ist auch Erntezeit und zumindest deutsches Gemüse regional gut verfügbar (und die nächsten Fragen auch!!). Ich schwelge in Ofengemüse, am Wochenende wird gegrillt. Heute habe ich erstmals deutsche Zwetschgen gekauft, nachdem ich schon zwei Wochen um die aus Bosnien-Herzegowina herum geschlichen bin.
Was ich für den langfristigen Plan festgeschrieben habe:
- Es wird bei meiner Art zu kochen über den Winter nicht OHNE Dosentomaten gehen und das, was ich bis jetzt an Dosentomaten in meinen Läden gefunden habe, ist generell in Italien produziert worden. Das macht für mich allerdings auch Sinn: es ist ein südliches Land, in dem Tomaten eine etwas längere Vegetationsperiode haben als hier bei uns, die Früchte bekommen mehr Sonne, dementsprechend sind die Ernten größer und es kann sozusagen “eingeweckt” werden.
- Butterschmalz mache ich selber. So ein Wahnsinns-Aufwand ist das nicht und geschmacklich schlägt es das käufliche um Längen.
Beim Verzicht auf Schafskäse schwanke ich noch, eigentlich ist auch der für mich unverzichtbar für viele Gerichte und der Kuhmilch-Ersatz überzeugt mich nicht wirklich. Generell finde ich aber eben nur bulgarischen oder griechischen in beiden Läden.
Ich war bisher auch der irrigen Annahme, man könne oder würde hier bei uns Süßkartoffeln anbauen, weil sie halt gefragt sind. Dass sie nicht wirklich einheimisch sind, war mir durchaus klar. Die bei Rewe sind aus den USA, fällt also aus für mich ab jetzt. Man stelle sich das vor: wir sind ein Kartoffelland, weiß der Geier, wie viele Sorten es hier gibt. Und karren etwas geschmacklich nicht so wahnsinng weit davon entferntes um den halben Globus. Ist es das wirklich WERT?
12.08.2017
Einkaufsimpressionen Milchprodukte:
Hurra!!! Milchprodukte und Frischmilch bekomme ich komplett regional. Rewe führt die Produktpalette von Mark Brandenburg und alles was ich verwende, ist dabei.
Trotzdem werde ich im Laufe der Zeit einigen Fragen nachgehen müssen. Die Hausmarke von Rewe (“Ja!”) ist preislich unschlagbar. Die Produkte werden in Köln hergestellt. Das ist von Berlin um Einiges weiter weg als Elsterwerda, von wo die Mark Brandenburg-Produkte kommen. Ein 500 ml Becher Buttermilch von Ja! kostete in dieser Woche 67 Cent, das gleiche Produkt von Mark Brandenburg 1,09 Euro. Das sind satte 42 Cent Unterschied.
08.08.2017
Einkaufsimpressionen frisches Obst und Gemüse:
Ich habe mich bei diesem Thema zunächst durch Rewe (noch nicht komplett) gewühlt und es war niederschmetternd.
Wassermelone – Italien
Paprika (rot, abgepackt) – Holland
Bratpaprika – Marokko
Äpfel – Neuseeland, Italien
Birnen – Spanien, Chile
Pflaumen – Ungarn
kein Beerenobst heute?
Aus Deutschland lose, nicht verpackt: Zucchini, orangefarbener Paprika, Zwiebeln (Gott sei Dank!), Kartoffeln, alle Gurken (Landgurken, Schmorgurken)
Als “regional” gekennzeichnet: Salat-Gurken, Äpfel Jonagold, Broccoli, Salatherzen (Mecklenburg-Vorpommern), Tomaten (mehrere Sorten, Brandenburg)
Wo genau das auf den Schildern offerierte “regional” ist, habe ich bei den meisten Dingen nicht herausgefunden. Hmmm.
Ich überlege gerade, welche Qualität wohl eine kleine Frucht hat, die man aus Neuseeland um die halbe Welt hierher karrt, um sie mir dann für läppische 0,29 Cent verkaufen zu wollen. Und im selben Moment fällt mir ein, was im Jahr 1996 eine Naturheilärztin (Ärztin! Nicht “zertifiziertes Natur-Irgendwas”) sagte, als ich mit meinem durch eine Überbehandlung mit Antibiotika nach einer Lungenentzündung kurz vor der chronischen Bronchitis stehenden sechsjährigen Sohn bei ihr vorstellig wurde. “Keine Kiwis! Das sind Chemie-Cocktails durch und durch! Das ist Gift!” Klar. Was soll es auch anderes sein für 29 Cent…
07.08. 2017
Wie bereits vermutet, ergeben sich Fakten, an die man zunächst nicht dachte: das erste wäre…tatatataaaa…der tägliche, wichtige, gewohnte, (fast) nicht verzichtbare Kaffee. Klingt ein bisschen komisch, ist aber so: Kaffee ist kein einheimisches Produkt. Es gibt zwar ein einziges europäisches Kaffeeanbaugebiet im Agaetetal auf Gran Canaria, allerdings sind für mich die Preise jenseits von gut und böse und ich nicht in dem Maße Kaffeejunkie, dass ich das bezahlen möchte.
Was tun? Ich habe hin und her überlegt. Die ersten Kaffeehäuser gab es in Wien vor ca. 350 Jahren, Kaffee ist, solange Menschen miteinander handeln und Übersee-Verbindungen verfügbar sind, eines der wichtigsten Export- und Handelsgüter, es gibt vom Kaffeeexport abhängige Staaten in Lateinamerika. Hm. Andererseits ist auch der Kaffeeanbau heutzutage – wie fast Alles – eine extrem umweltgefährdende Angelegenheit. Hm.
Da es mir vordergründig wirklich auf den Punkt regional-einfach ankommt und ich glaube, dass mittlerweile fast NICHTS mehr umweltverträglich produziert wird (ich vermute, da werden sich innerhalb des Jahres Abgründe auftun!) streiche ich den Kaffee schweren Herzens von meiner Einkaufslise, werde aber vorhandene Mengen noch verbrauchen (reicht für ca. 1 Woche). Da ich weiterhin auch keine Lust habe, Menschen zu agitieren oder permanent mein Projekt Jemandem erklären zu müssen, den es gar nicht interessiert und damit vielleicht beim Familienkaffee nicht so entspannte Situationen schaffe, werde ich mir angebotenen Kaffee selbstverständlich trinken, nicht ICH habe den gekauft und ich mache schließlich keine Diät oder lehne Kaffee aus anderen Gründen ab.
Ausweichprodukt wäre Malzkaffee, nun muss ich schauen, ob meine beiden Läden, welchen zum Aufbrühen im Angebot haben, Caro Kaffee ist ein Instantprodukt und somit industriell verarbeitet und tabu. Ganz davon abgesehen, dass ich Nestlè ohnehin boykottiere. Das wäre also meine Aufgabe für heute.
update 16.30 Uhr:
Thema Kaffee:
Beide Läden führen KEINEN nicht löslichen Getreidekaffee -wie ich herausfand, gibt es aber auch da einen Dschungel an Sorten, den ich pragmatischerweise nur am Rand betrete- immerhin konnte ich bei Rewe die lösliche Variante “Im Nu” (Roggen, Gerste, Gerstenmalz) von röstfein als Ersatz für “Caro” (enthält zusätzlich Zichorie) und das boykottierte Nestlè bekommen. Da die Herstellungsweise für das lösliche Zeug nicht mit einem wahnsinnigen Chemieaufgebot aufwartet (prinzipiell wird das nur pulverisiert), ist das jetzt als Kaffee-Ersatz okay für mich und hat sogar Vorteile: anders als früher lässt sich das Pulver superprima in KALTEM Wasser ohne Klumperei auflösen. Eiswürfel und Milch dazu, fertig. Und schon sind wir beim nächsten Problem angekommen, es fällt mir grade wie Schuppen von den Augen…
Thema Milch:
Ich habe bisher H-Milch verwendet. Die sollte ich dann jetzt durch Frischmilch ersetzen.
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