Swans Song – RobertMcCammon
Erschienen: 2015 bei FESTA (Deutsche Erstausgabe)
Autor/in: Robert McCammon
Klappentext: In diesem Endzeit-Thriller beschreibt der Bestsellerautor die Welt nach der atomaren Apokalypse. Die menschliche Zivilisation bricht zusammen und die wenigen Überlebenden werden in eine vorindustrielle Welt katapultiert, in der sie zu hungrigen Bestien mutieren.
Der nukleare Winter senkt sich wie ein Leichentuch über die verkohlte Erde.
Durch dieses verstrahlte Land wandert Swan – das neunjährige Mädchen spürt, dass etwas Übernatürliches am Werk ist: das personifizierte Böse, das die Menschheit endgültig vernichten will. Swan erlebt die ultimative Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse.
Swans Song – RobertMcCammon
Erklärend muss ich zu “Swans Song” vorausschicken, dass die deutsche Erstausgabe von 2015 nicht die allererste deutsche Ausgabe ist, wohl aber die erste ungekürzte und unverfälschte. Im Jahr 1997 ist bei Knaur bereits einmal eine Übersetzung erschienen, die sich wohl auf ein Studentenprojekt gründete und bei der so viel gekürzt wurde, dass das Buch völlig sinnentstellt wurde. (Das kann man übrigens auch den wenigen Amazon-Rezensionen zu diesem Buch entnehmen.)
Das Original erschien im Jahr 1987 und noch im selben Jahr teilte sich Robert McCammon dafür den Bram Stoker Award mit Stephen King (“Sie”) – völlig zu Recht. Ich habe mich nach dem Lesen wirklich gefragt, warum es 28 Jahre gedauert hat, bis das Buch auf den deutschen Markt kam, zumal Endzeit-Dramen nun genremäßig auch nicht grade ein Nischendasein führen. Stephen Kings “The Stand” ist ein Meilenstein, aber ich würde “Swans Song” nicht unbedingt damit vergleichen wollen: das Genre stimmt, aber die Machart ist völlig verschieden.
Ich bin ein großer King-Fan: aber während in “The Stand” die Handlung in typisch king‘scher Manier in epischer Breite ausgewalzt wird und jeder Charakter Feinschliff erhält, geht McCammon einen völlig anderen und nicht minder faszinierenden Weg. Er ist der apokalyptische Reiter, der sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhält und die Handlung gnadenlos voran peitscht. Der Leser kommt kaum zum Luftholen und wird von der ersten Seite an in atemlose Spannung versetzt. Und auch die Figuren werden, kaum dem Leser vorgestellt, von der rasenden Handlung überrollt. Der Erzählstil ist einfach und gerade deshalb perfekt zur Handlung passend: Tod, Vernichtung, Verrat und Hass brauchen keine Schnörkel und auch Freundschaft und Hoffnung erreichen den Leser direkt und ohne blumigen Kitschschleier.
Absolut perfekt wäre die gesamte Handlung für mich ohne die einleitenden (allerdings kurzen) Kapitel um die Auslösung der atomaren Katastrophe gewesen. Nachdem die Welt und dieser Planet diese Katastrophe hinter sich hat, ist nicht mehr wichtig, wer den ersten Knopf zur Vernichtung der Menschheit gedrückt hat, das eindeutige WARUM bleibt ohnehin im Dunkel. Es hätte im Gegenteil die Wahrnehmung von der völligen Sinnlosigkeit dieses Atomkrieges verstärkt. Ich empfand diese Kapitel als überflüssig. Das ist aber sicher Geschmackssache.
Der erste Teil von Swans Song (“Nach dem Ende der Welt”) behandelt die Katastrophe selbst und die Zeit unmittelbar danach. Der Leser begleitet in sich immer wieder abwechselnden Kapiteln mehrere unabhängig voneinander agierende Personengruppen. Zum einen das Mädchen Swan, ein etwas sonderbares Kind, welches Pflanzen wachsen lassen kann und seltsam düstere Vorahnungen vom Ende der Welt hat. Swan trifft an einer Tankstelle, irgendwo in der Pampa von Kansas, mit ihrer Mutter auf den alternden Wrestling-Star Josh Hutchins, als das Inferno losbricht. In New York wird eine auf der Straße lebende Frau, die sich selbst “sister” nennt von der Flammenhölle, die die Stadt in Schutt und Asche legt, überrascht und überlebt nur knapp. Und schlussendlich ist da noch Roland Croninger, ein nerdiger Jugendlicher, der gemeinsam mit seinen Eltern ein Survivaltraining in einer unterirdischen paramilitärischen Anlage in Idaho absolvieren will. Ins Leben gerufen wurde diese Anlage von Colonel Macklin, einem alten Kriegsveteranen, der weder etwas anderes kennt, als das Militär, noch scheint er jemals genug von Kriegsspielchen zu bekommen.
Der Leser hat von Anfang an keinen Zweifel daran, wer in dieser Geschichte die Antagonisten sind, der Gesamtaufbau ist simpel und überraschende Wendungen gibt es daher nur im Detail. Aufgrund des straff gespannten Spannungsbogens ist das aber auch völlig in Ordnung, es passiert ohnehin genug. Die Figuren selbst erreichen keine Charaktertiefe, wie man sie z.B. von King kennt, sind aber durchaus sehr individuell ausgestaltet. Der Leser findet schnell eine Identifikationsfigur, die er mag und mit der er sich durch die Handlung fiebert. Und natürlich gibt es auch noch das undefinierbar und abstrakte Böse – der Auslöser der Katastrophe- welchem die Katastrophe nicht reicht und der alles vernichten will, was die Welt wieder ins Gleichgewicht bringen kann.
Teil 2 (“Das scharlachrote Auge”) setzt ein paar Jahre nach dem Atomschlag an: die Erde ist kaputt, die Überlebenden haben sich in kleinen Gruppen zusammengeschlossen oder ziehen allein durch das verbrannte Land, die Einen marodierend, die Anderen auf der verzweifelten Suche nach einem Platz, an dem sie bleiben können. In Folge der Strahlenbelastung gibt es seltsame, zuvor nie gekannte Krankheiten und im Laufe der Geschichte wird klar, dass Swans -die selbst von einer schweren Krankheit heimgesucht ist- besondere Fähigkeiten der Menschheit Rettung bringen können. Und während auf der einen Seite Hoffnung wächst und Anstrengungen unternommen werden, das verbrannte Land zu neuem Leben zu erwecken und eine neue, friedliche Zivilisation zu gründen, rüstet die Gegenseite zum alles vernichtenden Angriff: wie sich das gehört in einem Endzeitdrama gibt es die finale Auseinandersetzung zwischen “gut” und “böse”.
Fazit: Es reicht kein Atomkrieg, der unseren Lebensraum zerstört, uns fast völlig unserer Lebensgrundlagen beraubt und uns auf pure Existenz zurückwirft. Nicht einmal dann schafft es die Menschheit, aufeinander zu zugehen und zumindest friedlich zu koexistieren: es muss weiter zerstört, getötet, gekämpft werden. Robert McCammon macht das auf einfache und brutal schonungslose Weise verständlich. Swans Song ist nicht nur Utopie. Genau so kann es jederzeit kommen. Heute, jetzt und hier. Ich empfehle “Swans Song” gerne weiter: auch genrefremden Lesern dürfte es gefallen und vielleicht nachdenklich machen.
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