Das böse Mädchen – Mario Vargas Llosa
Erschienen: 26.11.2007 bei Suhrkamp
Autor: Mario Vargas Llosa
Klappentext: Wie gelingt es ihr nur immer wieder, ihn um den Finger zu wickeln? Und warum tut sie das, wenn sie seine ehrlichen Gefühle doch zugleich schroff zurückweist? Schon als aufmüpfige Halbwüchsige verdreht sie dem jungen Ricardo im konservativen Lima der 50er Jahre den Kopf. Von da an wird sie regelmäßig seine Wege kreuzen, wird in Paris, London, Madrid oder Tokio mal als Guerrillera, mal als Heiratsschwindlerin mit falschem Paß in sein Leben treten – und es immer wieder durcheinanderwirbeln. Auf rätselhafte Weise scheinen beide dennoch füreinander bestimmt; oder ist nur er es, der nicht lassen kann von diesem faszinierend »bösen Mädchen«?
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“Das böse Mädchen” ist ein weiterer Beitrag zu Neyashas Nobelpreisträger-Challenge und vermutlich mein letzter Nobelpreisträger für dieses Jahr.
Die Handlung dieses Buches besteht aus mehreren, immer wieder gleichen Abschnitten, die patchworkartig aneinander gebastelt scheinen, wobei die Übergänge für mich nicht passen. Das geht für mich statt der Akkuratesse von aufwändig genähtem Patchwork eher in Richtung Flickerlteppich…
Jeder Abschnitt beginnt zunächst mit einer Beschreibung von Land, Kultur, Politik, Zeitgeschehen, je nachdem wo und in welcher Lebensphase sich der Protagonist Ricardo gerade befindet, der als Übersetzer weit herumkommt. Diese Beschreibungen lieblos zu nennen, wäre übertrieben, ihnen fehlt es aber an Authentizität, an wirklich erlebten, persönlichen Inhalten, viel mehr liest sich das Alles wie Beschreibungen aus Reiseführern, in denen die wichtigsten Highlights fokussiert werden, es berührt nicht. Was umso verwunderlicher ist, als dass es sich hierbei um den autobiografischen Teil des Romans handeln dürfte. Als nächstes trifft Ricardo einen Bekannten oder Freund, der sozusagen als “Hilfsperson” zur Herstellung des Kontaktes mit dem “bösen Mädchen” dient, der meist auch noch eine eigene tragische Liebesgeschichte verpasst bekommt und dann von der Bildfläche verschwindet. Danach taucht das böse Mädchen auf, es folgt eine kurze Zeitspanne schwer verkitschter und obsessiver Liebesakte, an deren Ende das “böse Mädchen” wieder verschwindet und Ricardo in Verzweiflung zurück lässt.
Kurz bevor der Leser ob der immer wieder gleichen Handlungsabläufe resigniert, bekommt -weit nach der Mitte des Buches- die Abschnittsmonotonie einen Break verpasst, die Vorzeichen verschieben sich, als Ricardo aus einer Situation flieht, in der das “böse Mädchen” extrem überzieht, obwohl der Leser diese eigenartige Beziehung der Protagonisten vorher schon -freundlich ausgedrückt- als nicht wirklich gesund wahr nehmen kann. Diese Beziehung sieht in etwa so aus:
»Ich bin nicht dein Freund und werde es auch niemals sein. Hast du es noch immer nicht begriffen? Ich bin dein Liebhaber, dein Geliebter, der Mensch, der seit seiner frühesten Jugend verrückt ist nach der kleinen Chilenin, der Guerrillera, der Beamtengattin, der Frau des Pferdezüchters, der Geliebten des Gangsters. Der arme Teufel, der nur lebt, um dich zu begehren und an dich zu denken. Ich will nicht, daß wir uns in Tokio an irgendwas erinnern. Ich will dich in meinen Armen halten, dich küssen, dich riechen, dich beißen, dich lieben.«
Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, meine kleine Japanerin. Obwohl ich dir wie ein ausgewachsener Idiot vorkomme, werde ich beharrlich weiter beharren, bis du zu mir kommst, um mit mir zu leben. In Paris, und wenn Paris dir nicht gefällt, wo immer du willst. Als Dolmetscher kann ich überall auf der Welt arbeiten. Ich schwöre dir, daß ich dich glücklich machen werde, japonesita. Es sind schon zu viele Jahre vergangen, du kannst unmöglich den geringsten Zweifel haben: Ich liebe dich so sehr, daß ich alles tun würde, um dich an meiner Seite zu halten, wenn wir zusammen sind. Du magst Gangster? Dann werde ich Räuber, Entführer, Betrüger, Drogenhändler, was du willst.Jahre, ohne etwas von dir zu hören, und jetzt kann ich kaum sprechen, kaum denken, weil es mich so aufwühlt, dich so nah zu spüren.« (Ricardo)
»Hast du gedacht, ich mach das alles für dich, du Hungerleider, du Versager, du Schwachkopf? Wer bist du denn, für wen hältst du dich denn? Du würdest sterben, wenn du wüßtest, wie sehr ich dich verachte, wie sehr ich dich hasse, du Hosenscheißer.« (Das böse Mädchen)
Ich bin mir nicht sicher, ob Llosa seine beiden Protagonisten wirklich ernst meint. Zu oft erscheint mir das Wort “Kitsch” in der Kommunikation beider, das böse Mädchen wünscht sich so oft, “Kitsch” von Ricardo gesagt zu bekommen, dass es auffällig ist, denn für meine Begriffe ist das wirklich Kitsch. Es kann allerdings auch sein, dass sie durchaus ernst gemeint sind, dann fehlt mir die Fähigkeit, mich in lateinamerikanische Autoren hinein zu versetzen. Llosa erinnert mich in den Liebesergüssen Ricardos sehr an die Art und Weise wie García-Márquez selbige in “Erinnerung an meine traurigen Huren” zu Papier brachte. Schwülstig, groschenromanmäßig…das Alles wäre an sich okay, wenn der Rest einen netten und perfekten Kontrast dazu bilden würde, das ist hier aber nicht der Fall. Die Sprache ist allenfalls durchschnittlich und wenig facettenreich.
Abgesehen von den emotional (für mich zu stark) aufgeladenen Szenen, blieben beide Protagonisten farblos und uninteressant. Ricardo ist langweilig, spießig und mit seinem Leben zufrieden. Sein einziger Ehrgeiz besteht darin, das böse Mädchen “haben zu wollen”, dafür lässt er sich von ihr regelmäßig erniedrigen. Sie ist zunächst energiegeladen, zehrt sich aber auf der ewigen rastlosen Suche nach dem noch besseren Leben, was bei ihr lediglich materielle Bedeutung hat, völlig aus. Dabei bleibt sie kalt, rücksichtslos, ewig lügend, ihn erniedrigend. Und so mag man schlussendlich auch ihre Läuterung am Ende des Romans nicht so wirklich glauben.
Fazit: eine uninteressant dahin dümpelnde Handlung, verstrickt mit unglaubwürdigen Obsessionen zweier oberflächlich gezeichneter Charaktere. Ich hatte von Mario Vargas Llosa mehr erwartet.
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